Dass Schlossgespenster mit Ketten rasseln und laut heulend nächtens durch die Gänge jagen, ist hinlänglich bekannt. Dass sie Mörtel mischen, Maurerkellen schwingen und Stahlgeländer montieren, ist wohl eine Eigenheit, die nur den Geistern auf Burg Reichelsberg im Auber Stadtteil Baldersheim zu eigen ist. Hat der Gau manchmal seine eigenen Gesetze?
In einer Bürgerversammlung im Auber Stadtteil waren die seltsamen Bauarbeiten zur Sprache gekommen. Von Mauern, die errichtet und wieder eingerissen wurden, wurde berichtet – und niemand will’s gewesen sein. Ruchbar wurde das geisterhafte Treiben, als die Stadt Aub die Rechnung für ein Geländer bekam und diese nicht bezahlen wollte. Denn: kein Auftrag, keine Bezahlung.
„Die Burg gehört uns nicht“, sagt Bürgermeister Robert Melber, „das ist auch nicht über uns gelaufen.“ Er sei nicht informiert, was da geschehen ist. „Fragen Sie bei Staatlichen Bauamt“, sagt Melber. Auch wer eine Betonplatte auf dem Keller vor dem Bergfried gießen und mit einem verzinkten Stahlgeländer versehen ließ und dafür bezahlte, kann der Bürgermeister nicht sagen. „Das entzieht sich meiner Kenntnis, fragen Sie beim Hochbauamt“, sagt er wieder.
Ein Geländer sei auf der Burg nie gebaut worden, deswegen könne es dafür auch keine Rechnung geben, hatte laut Zeitungsbericht bereits bei der Bürgerversammlung Oskar Ernst von der Musikkapelle Baldersheim gesagt. Er muss es wissen, denn die Kapelle veranstaltet dort doch alljährlich ihr Reichelsburgfest.
Treibt dann doch ein Geist auf der Burg sein Unwesen? Dann hat er zumindest ein gutes Herz – oder eine schlechte Unfallversicherung. Denn ein Geländer gibt es wirklich. Wer hat’s gebaut und wer bezahlt?
„Wir haben da oben nichts gebaut“, sagt jedenfalls auch Bernd Geißendörfer, Vorsitzender der Musikkapelle Baldersheim. „Ich denke, das weiß die Stadt.“ Auf den Einwand, auch da wisse niemand Bescheid, verweist er eine Stufe höher „Dann fragen Sie doch mal beim Hochbauamt, denen gehört das Gelände“.
Doch zunächst führt der Weg zu den Denkmalschützern, denen das unlautere Treiben bei einem Ortstermin mit Stadt und Hochbauamt sauer aufgestoßen war.
Bei der Außenstelle des Landesamtes für Denkmalpflege im Schloss Seehof bei Bamberg sitzt ein Mann, der etwas weiß und sagen kann, wie er erzählt, der aber der Presse nichts sagen darf.
Mit der Presse reden darf wiederum Bernd Vollmar, Abteilungsleiter beim Landesamt für Denkmalpflege in München. Und wen überrascht’s: Er weiß von nichts.
„Wir wissen es auch nicht so genau, was da gebaut worden ist. Aber eines kann ich Ihnen mit Sicherheit sagen: wir bauen in der Regel nicht und wissen auch nicht, wer es war“, sagt Vollmar.
Aber er weiß zumindest von einer Stellungnahme der Bamberger Außenstelle des Amtes. „Die besorge ich und sage Ihnen morgen, was da drin steht“, verspricht der Mann aus München.
Das tut er auch am nächsten Tag. „Da steht aber auch nur drin, dass es einen Ortstermin mit der Stadt Aub, unserem Amt und dem staatliche Hochbauamt gegeben hat“, sagt Vollmar. „Da wurde beschlossen eine Mauerkrone zurückzunehmen und das Geländer dort wieder zu entfernen.“
Alle Finger deuten also auf das Staatliche Bauamt in Würzburg. Und dort heißt es von Amtsleiter Joachim Fuchs: „Ja wir waren es, zumindest haben wir mitgemacht und einige Rechnungen bezahlt.“
Allerdings sei auch ihm zu Ohren gekommen, dass „man“ es dort wohl zum Teil etwas „zu gut“ gemeint habe. Wer „man“ ist, das sagt er nicht. „Da gibt es Leute, die meinen es gut und halten das ganze in Schuss, das muss man ihnen hoch anrechnen“, sagt er zu Recht.
Aber manchmal meinten diese Leute es an manchen Stellen eben etwas zu gut, und dann sei das Ergebnis nicht mehr Denkmalgerecht. „Da müssten wir vielleicht mal etwas öfter nachsehen“, meint Fuchs.
Und dann komme eine Mauerkrone eben wieder weg und ein Geländer ebenfalls, wie bereits geschehen, sagt er. „Das ist ein Spagat zwischen Denkmalpflege und sinnvoller Nutzungsmöglichkeit, den wir da machen.
Aber wir sind froh, dass es Leute gibt, die sich darum kümmern“, sagt Fuchs.
Und siehe da: des Rätsels Lösung war dann doch ganz einfach. Es gibt in Baldersheim zwar keine Schlossgespenster, die zur Maurerkelle greifen, wohl aber dennoch ein ganze Menge guter Geister.
Auch wenn bislang kaum einer davon gewusst haben wollte …
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