Truchsess schwang drei Tage das Zepter
Reichelsburgfest in Baldersheim zum achten Mal von der Musikgemeinschaft ausgerichtet
Für drei Tage übernahm wieder der Truchsess von Baldersheim in Gestalt von Otto Haaf die Regentschaft über die Burgruine Reichelsburg. Dort, auf der Anhöhe über dem Gollachtal, richtete die Musikgemeinschaft Baldersheim/Burgerroth zum achten Mal das Reichelsburgfest aus.
Bürgermeister Robert Melber übergab die Schlüssel der Burg symbolisch an den Truchsess. Als Bürgermeister der Stadt Aub fühle er sich dem Truchsess verbunden, denn dessen Vorfahren haben entscheidend dabei mitgewirkt, dass die Stadt Aub 1404 die Stadtrechte erhielt, erklärte Melber.
Für Truchsess Otto Haaf, der mit seinem Burgfräulein Ina Heidschmidt wieder die Besucher per Handschlag begrüßte, ist das Burgfest eh‘ das „schönste Fest, das die Baldersheimer und der liebe Gott uns feiern lassen“.
Die Reichelsburg, von der heute außer dem noch immer recht eindrucksvollen Burgfried nur noch ein paar Mauernreste stehen, wurde während des Bauernaufstandes 1525 von aufständischen Bauern und Auber Bürgern zerstört. So steht es in den Geschichtsbüchern. Wie sich diese Episode damals zugetragen haben könnte, veranschaulichte die Musikgemeinschaft Baldersheim/Burgerroth gemeinsam mit der Gelchsheimer Musikkapelle zum Reichelsburgfest in einem Laienspiel.
Die Aufführung erhob keinen Anspruch auf historische Richtig- und Vollständigkeit der Ereignisse. Heute lebende Personen wurden zur Freude des Publikums wie selbstverständlich in die Aufführung mit einbezogen. Dass die Akteure mit Spaß bei der Sache waren, war zu spüren. Sie verstanden es, die Gäste des Reichelsburgfestes mitzureißen und zeigten in sehr lebendiger und unterhaltsame Weise mögliche Ereignisse aus dem Leben des Truchsesses von Baldersheim.
Nachdem Bürgermeister Robert Melber dem Truchsess Otto Haaf die Schlüssel der Reichelsburg übergeben hatte, ließen dieser und seine Burgherrin Ina (Heidschmidt) sich auf dem Thron nieder, um Hof zu halten. Die Bauern und Handwerker aus Aub und Baldersheim hatten vorzusprechen und ihren Zehnt abzuliefern.
Mehr oder weniger widerwillig machten alle ihre Aufwartung. „Freiherr von Manger“ übereignete dem Burgherren eines seiner Pferde. Der „Schlächter von Aub“, Schlachthofbesitzer Friedrich Neckermann, überbrachte ein hübsch dekoriertes Spanferkel, seine „schönste und größte Sau“. Bäckermeister August Schedel hatte extra ein Modell der Reichelsburg gebacken und mitgebracht. „Nur her du Spitzbub, der du immer so kleine Brötchen backst,“ hatte Hofmarschall Michael Neckermann den Auber Bäcker aufgefordert, seinen Zehnten abzuliefern.
Bauer Erwin Geißendörfer brachte einen Sack Getreide auf einer alten Sackkarre. Andere brachten Kartoffeln oder Heu, denn die Tiere des Truchsess „haben Hunger und Durst“. „Bauernweiber“ brachten einen Wagen voll Gemüse. „Wir müssen nur schuften und müssen uns plagen, wir haben nur Arbeit und haben nichts zu sagen!“ kommentierten sie ihr schweres Los. Die Fischerfreunde brachten einige Fische mit, Haus- und Hoflieferant Stüber ein Fass Bier. „Lässt du das Bier da! Truchsess, er will seinen Zehnt wieder mitnehmen!“ rief der Hofmarschall entrüstet, als der Zehntpflichtige sein Fass wieder von der Bühne trug. Die Wildschützen brachten Enten, die Bälge von Fuchs, Marder und Iltis sowie einen Hasen. „Der sieht aber sehr nach Stallhase aus,“ bemerkte der Truchsess treffend, nahm den Zehnt aber dennoch an. Hufeisen für die Pferde des Zehntherren brachte Hufschmied Franz Ruppert vorbei. Maurermeister Grimm übergab einen Stein und Steinmetz Hans Melber einige aus Marmor geschaffene Vasen für den Haurat des Burgherren. Der „Unsleber Sepp“, der Schnapsbrenner, lieferte eine Korbflasche mit Selbstgebranntem Obstler ab. Diesen Zehnt konnte der Hofmarschall gar nicht schnell genug bekommen, denn „das Leben auf der Burg ist schwer und ohne Schnaps nicht zu ertragen“.
Zum Schluss kam ein Kleinbauer aus Baldersheim, ein „Bauer ohne Acker“. Das Schwein, das er mitbrachte, das er als das „größte und schönste aus seinem Stall,“ bezeichnete, war dem Burgherren dann doch etwas zu klein geraten, denn es war lediglich ein Meerschweinchen. „Ich habe es sogar zwei Mal am Tag gefüttert, habe ihm zugeredet und bin mit ihm spazieren gegangen,“ versicherte der Bauer: „Aber es ist nicht größer geworden.“
„Damit kommst du nicht durch,“ schrie der Truchsess und ließ den armen Bauern für zwei Tage einkerkern. Damit aber beschwor er die Wut der Bauern heraus, die kurzerhand die Burg stürmten.
„Nieder mit dem Truchsess“, schrie der Bauernhaufen, der aus dem „deutschherrischen“ Gelchsheim unter Führung von Alfons Leimig mit Fackeln, Dreschflegeln und Mistgabeln die Burg stürmte. Der Truchsess musste den Bauern allein gegenübertreten, denn der Hofmarschall hatte ihm kurz entschlossen, seinen Säbel übergeben, versprochen, sich um das Burgfräulein zu kümmern und dem Burgherren geraten, bis zum letzten Blutstropfen zu kämpfen.
Hart waren die Vorwürfe der Bauern. Der Truchsess habe sie ausgeraubt, Vieh und Gut gestohlen, die Höfe geplündert. Selbst den Ziegenbock und den Hofhund habe er mitnehmen lassen. „Du warst schon immer ein Rebell!“ schrie der Truchsess dem Bauernführer entgegen: „Ich stehe im Recht, ich bin ein Ritter!“ „Das ist mir Wurst,“ stellte der Bauer schlicht fest: „Jetzt wird gekämpft!“ Mit Säbeln gingen die beiden schließlich aufeinander los.
Es war ein kurzes Gefecht. Bald hatte der Bauernführer aus Geichsheim die Oberhand. Er und seine Leute setzten den Truchsess auf dessen eigener Burg gefangen und stürmten den Weinkeller der Burg. Als alle beim Feiern waren, kam der Hofmarschall mit Verstärkung zurück und brachte die Burg wieder unter seine Kontrolle. Bauernführer Alfons Leimig, dem diese Rolle auf den Leib geschnitten war und der improvisierte, der seinen Teil ohne geschriebenen Text sprach, musste sich mit seinen Leuten dem Hofmarschall schließlich doch beugen. Zum Dank für seine Heldentat wurde der Hofmarschall zum Feld- und Hofmarschall befördert.
Das Stück, das auf der Reichelsburg zum ersten Mal aufgeführt wurde, war ein Geschenk der Musikgemeinschaft Baldersheim/Burgerroth an die Stadt Aub zu deren 600-jährigem Stadtjubiläum.
Vom Wetter waren die Baldersheimer Musikanten nicht gerade verwöhnt. Am Freitag, zum Beatabend, setzte Regen ein und auch am Samstag war es recht kalt und zugig auf der Burg. Dennoch fanden wieder viele Gäste den Weg in das alte Gemäuer, ließen sich verwöhnen, sich von Blasmusik unterhalten und von der romantischen Stimmung des mit Lichterketten und Fackeln ausgeleuchteten Geländes bezaubern.
So waren auch am Sonntag trotz vereinzelter Regentropfen wieder zahlreiche Gäste auf der Burg. Unter den Sonnenschirmen und einiger kleiner Zelte ließ es sich gut feiert. Bei Burgromantik, fränkischer Blasmusik von den Pfahlenheimer Musikanten und unter Aufsicht des Truchsess ließ es sich gut feiern.
Insgesamt zeigten sich auch die Baldersheimer Musikanten mit dem Verlauf des Festes zufrieden: „Wenn es den Gästen gefällt, gefällt es uns auch,“ war die Meinung des Vorsitzenden des Musikvereins, Franz Mark, zum Verlauf des Festes.
© Fränkische Nachrichten – Alfred Gehring
Du muss angemeldet sein, um einen Kommentar zu veröffentlichen.